Historische Luftbilder - Fotoschüsse im Tiefstflug (2024)

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Luftaufklärung 1945: Ansichten der Zerstörung

Historische LuftbilderFotoschüsse im Tiefstflug

Im Mai 1945 flogen US-Piloten Hunderte Aufklärungsflüge - in den Bombern, die Deutschland zuvor in Schutt und Asche gelegt hatten. Mit erschreckenden Bildern dokumentierten sie die Zerstörungen - einestages zeigt eine Auswahl der beeindruckenden Luftaufnahmen.

VonChristoph Gunkel

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Die Anweisungen der Kommandeure der 8. US-Luftflotte waren eindeutig: Für diesen Einsatz kamen nur die besten und erfahrensten Piloten in Frage. Schließlich handelte es sich um ein Sonderkommando am Ende des Zweiten Weltkriegs. Hunderte Bomber vom Typ B-24 ("Liberator"), B-17 ("Flying Fortress") und B-26 sollten im Tiefflug über Deutschland donnern. Und das sechs Tage hintereinander.

Doch die ausgesuchten Piloten würden in Hitlers untergehendem Reich keine neuen Feuerstürme entfachen, letzte Waffenschmieden angreifen oder Städte in Schutt und Asche legen. Keine einzige Bombe fiel. Die Mannschaften der Flieger schossen zwar - aber nur harmlose Luftaufnahmen. Fotos vom besiegten Deutschland. Tausendfach, in mitunter bestechender Qualität.

Es war der 7. Mai 1945. Deutschland hatte gerade die bedingungslose Kapitulation akzeptiert, unterschrieben und verkündet, einen Tag später trat sie in Kraft. Der Weltkrieg war beendet - und die Alliierten wollten sich ein möglichst vollständiges Bild vom wahren Ausmaß der Zerstörungen machen - ausgerechnet in den Maschinen sitzend, aus denen nur wenige Wochen zuvor tödliche Bomben über Deutschland gefallen waren.

Topografie der Verwüstung

Vom 7. bis zum 12. Mai kam es bei dieser heute kaum bekannten "Trolley"-Mission nach Auskunft des Washingtoner National Archives zu insgesamt 2013 Flügen von US-Bombern - jeweils mit Fotografen an Bord. In Kleingruppen zu je drei Flugzeugen manövrierten die Piloten im Tiefflug über vorher genau abgesteckte Routen. Sie starteten von den britischen Stützpunkten und flogen über Holland nach Nord-, West- und Süddeutschland, kreisten über der zerstörten "Reichshauptstadt" Berlin und dem wirtschaftlichen Herz des NS-Staats, dem Ruhrgebiet.

Entstanden sind bei den massierten Aufklärungsflügen eindrucksvolle und erschreckende Bilder, von denen viele lange Zeit nahezu unbemerkt in Archiven, Privatsammlungen und bei Veteranenorganisationen lagen. Sie sind Dokumente der Verwüstungen, zeichnen eine Art Topografie der Zerstörung: skelettartige Häuserruinen, ausgebrannte Bahnwaggons und Fabriken, zerrissene Brücken. Die einstige Kulturnation wirkte aus der Luft wie eine unbewohnbare Kraterlandschaft.

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Gedacht waren die Flüge wohl nicht nur zur Aufklärung, sondern auch als eine krude Belohnung für die Soldaten und Piloten der Sieger: Sie sollten ihnen vor Augen führen, was sie geleistet hatten. Manche Piloten dürften jedoch nicht nur stolz, sondern auch entsetzt gewesen sein angesichts des Ausmaßes der Verheerungen, die sie nun in Ruhe begutachten und dokumentieren konnten.

Unterhaltsame Besichtigungstouren

Doch auch Jahrzehnte nach Kriegsende haben solche Aufnahmen wenig von ihrer morbiden Faszination verloren. Der selbständige Unternehmer Matthias Jansing hat sich schon in jungen Jahren für die Geschichte des Weltkriegs interessiert - und mit viel Aufwand in Archiven und bei US-Veteranenverbänden inzwischen mehr als 3000 Bilder gesammelt - darunter etliche Luftbilder vom Mai 1945. einestages stellte der 39-Jährige einige Bilder zur Verfügung und erinnert an ihre vergessene Geschichte.

Jansings brennendes Interesse an der Vergangenheit wurde durch das geweckt, was er eine "familiäre Tragödie" nennt: Der Großvater fiel bei den Kämpfen um Stalingrad. "Oft merkte ich, wie mein Vater, trotz seiner sonst so zurückhaltenden Art, Tränen in den Augen hatte, wenn er von seinem Vater sprach, den er zuletzt als Sechsjähriger gesehen hatte." Jansing stürzte sich in die Recherche, sichtete und sammelte Hunderte Bilder, die er teilweise wieder weiterverkauft. Doch das Geld ist Nebensache - weit spannender findet er die fast vergessenen Episoden der Kriegszeit. Wie die der US-Luftaufklärung im Mai 1945.

Mitunter, erzählt Jansing, hätten diese Flüge den Charakter von unterhaltsamen Besichtigungstouren gehabt. Deshalb hießen sie inoffiziell "Trolley Trips" - als ob es in den Urlaub ginge und nicht in den Luftraum des Feindes, gegen den noch vor Tagen erbittert gekämpft worden war. In den großen Bombern hockten bis zu zwei Dutzend Schaulustige, von denen viele nie in die Nähe der Front gekommen waren: Mechaniker, Flugzeugwarte, Bodenpersonal, Köche. Die meisten waren nun bewaffnet mit Kameras. Aber auch professionelle Fotografen flogen mit.

Der Übermut der Sieger

Obwohl der Krieg gewonnen war, gab es strenge Sicherheitsvorkehrungen für die Flüge. Zu jeder Gruppe gehörte mindestens ein Bomber, der Offiziere an Bord hatte; sie sollten die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Mit Sinn für Ironie tauften die US-Piloten diese Flugzeuge daher "Gestapo-Flieger". Die Aufpasser überprüften, dass die jeweiligen kleinen Bombergruppen einen bestimmten Zeitplan einhielten, nicht zu dicht und nicht tiefer als 300 Meter flogen.

Nur: Der Übermut und die Freude über das Kriegsende ließen viele Piloten dennoch Regeln und Gefahren vergessen - und so kam es zu einigen gefährlichen und sogar tödlichen Zwischenfällen. Gleich am ersten Tag der Mission stürzte ein mit 19 Personen besetzter US-Bomber in die Reste einer Eisenbahnbrücke im Städtchen Engers bei Koblenz. Alle fünf Besatzungsmitglieder starben, wie aus dem Missing Air Crew Report der US-Luftwaffe für den 7. Mai hervorgeht, die 14 anderen getöteten Passagiere wurden nie gefunden.

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Deutsche Kriegsgefangene beschwerten sich über haarsträubende Manöver der US-Piloten, die angeblich in nur wenigen Metern Höhe demonstrativ über die Gefangenenlager hinweggebraust seien. Für solche Manöver seien den Piloten aber Strafen angedroht worden, erklärte der Veteranenverband der beteiligten 392. US-Bombergruppe auf Nachfrage von Matthias Jansing.

Der US-Führung ging es jedoch weniger um symbolische Demütigung und Machtspiele - die Amerikaner interessierten sich für die Auswirkungen ihrer jahrelangen Angriffe auf die deutsche Industrie- und Kriegswirtschaft. Daher wurde besonders häufig das Ruhrgebiet überflogen; Bilder dokumentieren beispielsweise die Zerstörung des einst wichtigen Hydrierwerks Gelsenkirchen-Scholven. Hier wurde Kohle verflüssigt und auf synthetische Weise Benzin hergestellt - Treibstoff für den Krieg.

Ein weiterer Schwerpunkt der Aufklärung waren die Flugplätze des "Dritten Reiches". Hier zeigten die Aufnahmen vom Mai 1945 schon die ersten Spuren der Sieger: Zerstörte deutsche Flieger wurden von den heranrückenden alliierten Truppen hastig zur Seite geräumt - um genügend Platz für die eigenen Maschinen zu haben.

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